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„Deutschland ist mit KI vorn dabei – wenn wir es souverän tun“

Deutschland steht vor einer historischen Chance: Gemeinsam mit NVIDIA baut die Deutsche Telekom in München die weltweit erste industrielle KI-Fabrik auf. Sie soll die Grundlage einer neuen, wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden – sicher, souverän und für jedes Unternehmen nutzbar. Klaus Werner, Geschäftsführer Geschäftskunden der Telekom Deutschland, erklärt, warum KI zum Wachstumstreiber des Mittelstands wird, wo Deutschland jetzt Mut braucht und wie ein neues digitales Ökosystem entsteht, das Europas Wirtschaft verändern könnte.

27.11.2025
Lesezeit: 3 min

Herr Werner, Anfang 2026 steht eine der größten KI-Infrastrukturen Europas bereit. Was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Ich höre in fast jedem Kundengespräch den gleichen Satz: „Wir brauchen sichere KI-Rechenleistung, und zwar jetzt.“ Die Nachfrage kommt aus allen Branchen. Von Start-ups, Mittelstand, Großindustrie. Alle haben verstanden, dass ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit unmittelbar vom Einsatz von KI abhängt. Was es jetzt braucht, ist echte KI-Souveränität.

Unternehmen wollen KI-Modelle entwickeln und betreiben, ohne sensible Daten ins Ausland geben zu müssen. Genau dafür bauen wir in München eine souveräne Computing-Infrastruktur auf, kombiniert mit einem modernen Software-Stack. Wir sprechen hier von einem neuen europäischen KI-Ökosystem – mit Partnern und Pionieren wie SAP, Siemens, Agile Robots, Quantum Systems, Wandelbots, PhysicsX oder Perplexity. Dieser gemeinsame „Deutschland-Stack“ bringt uns enorm voran.

Viele Unternehmen sagen, die KI-Welt sei zu komplex. Wie begegnen Sie dieser Sorge?

Komplexität ist aktuell die größte Hürde – nicht der Wille. Deshalb brauchen wir Anwendungen, die unmittelbar Wert schaffen: Produktionsoptimierung, Qualitätskontrolle, Simulationen, digitale Zwillinge, Robotik, Predictive Maintenance.

Unternehmen müssen dafür keine KI-Fachabteilung aufbauen. Wir liefern Infrastruktur, Software-Stack, Partner-Ökosystem und den sicheren Betrieb aus einer Hand. Das ist ein entscheidender Unterschied zu globalen Hyperscalern. Wir kennen die Realität der deutschen Industrie und genau daraus ist die Industrial AI Cloud entstanden.

Welche konkreten Vorteile bietet die Industrial AI Cloud für kleine und mittelständische Unternehmen?

Sie ermöglicht ihnen zum Beispiel, Produktionsstätten virtuell zu planen und zu simulieren, bevor sie gebaut werden. Nehmen wir einen Mittelständler, der auf der KI-Cloud mit einem digitalen 3D-Zwilling Produktionsstätte Prototypen entwickeln und Robotik testen kann. Gleichzeitig bleiben sensible Daten geschützt. Digitale Souveränität „Made in Germany“.

Digitale Zwilling gibt es schon länger, was ist jetzt anders?

Produktions-Szenarien und "Was-wäre-wenn"-Analysen lassen sich mit den KI-optimierten Simulationen in kürzester Zeit durchspielen. Dank Rechenpower. Die neue KI-Fabrik steigert die KI-Rechenleistung in Deutschland auf einen Schlag um rund 50 Prozent. Das schafft sie dank leistungsstarker Graphic Processing Units (GPUs), die im Gegensatz zu herkömmlichen Computer Prozessoren sehr viele rechenintensive Aufgaben gleichzeitig erledigen können.

Damit erreichen wir eine Rechenleistung von 0,5 Exaflops. Zur Einordnung: Ein Supercomputer mit 0,5 Exaflops kann in einer Sekunde mehr Rechenoperationen durchführen als acht Milliarden Menschen in über zwei Millionen Jahren. Dazu kommen 20 Petabyte Speicher, was etwa vier Millionen HD-Filmen entspricht. Entwicklungszyklen, die früher Tage oder Wochen dauerten, verkürzen sich auf Stunden.

Das sind beeindruckende Zahlen. Was nützen die den Unternehmen konkret?

Für die Anwender in der Cloud bedeutet das deutlich verkürzte und kostengünstigere Entwicklungszyklen und somit zum Beispiel schnellere Produkteinführungen. Die KI-Cloud kann riesige Datenmengen in kürzester Zeit verarbeiten. Um Daten zu analysieren, Muster zu erkennen, Trends vorherzusagen, Produkte zu personalisieren. Von der Simulation bis zum Design ergeben sich unzählige Innovationschancen.

Ist KI mehr Risiko oder Chance? Wie erleben Sie die Stimmung in Ihren Gesprächen?

Unternehmen sind realistisch, aber nicht ängstlich. Sie wollen KI einsetzen, aber ohne Kontrollverlust. Viele sagen mir: „Wir brauchen jemanden, der Technologie versteht, aber genauso unsere Geschäftsrealität.“ Genau das ist unsere Rolle als Telekom.

KI ist längst kein Experiment mehr. Sie wird die Grundlage der Wertschöpfung. Europa mag bei generativen KI-Modellen hinter den USA und China liegen. Unsere Stärke liegt in unserer Industriekompetenz und Ingenieurskunst. Wir haben die Anwendungsfälle im Maschinenbau, der Fertigung, der Logistik. Europa kann dank wertvoller Industriedaten und Expertise die größte Wirkung von KI entfalten – aber nur mit digitaler Souveränität.

Was braucht es dafür?

Wir müssen eigene Infrastruktur und Software-Plattformen entwickeln, auf denen industrielle KI entsteht und betrieben wird. Nur so bleibt die Wertschöpfung bei uns. Ein Maschinenbauer, ein Automobilzulieferer und ein Softwarehaus können gemeinsam Modelle trainieren, die heute jeder einzeln entwickeln müsste – aber ohne sensible Daten auszutauschen. So entstehen Innovationen, die klassische Lieferketten nie ermöglicht hätten.

Souveräne KI ist damit nicht nur Technologie. Sie ist der Beginn eines neuen Miteinanders in der Wirtschaft: vernetzt, vertrauensbasiert, partnerschaftlich. Dafür schaffen wir mit der Industrial AI Cloud den Rahmen.

Was erwarten Sie von deutschen Unternehmen auf ihrem Weg zur KI-Transformation?

Vor allem Mut zur Umsetzung. Viele wissen genau, wo KI sie unterstützen kann. Aber sie warten auf den perfekten Moment. Den wird es nicht geben. Entscheidend ist, jetzt Pilotprojekte zu starten, Erfahrungen zu sammeln und interne Kompetenzen aufzubauen.

Was ich immer wieder erlebe: Sobald Unternehmen auf einer souveränen, sicheren Infrastruktur arbeiten, beginnt die Transformation fast automatisch. KI ist Gegenwart. Wer jetzt handelt, wird bald massiv profitieren.

Wie sieht Ihre Vision für den KI-Standort Deutschland aus?

Die physische Infrastruktur für die KI-Cloud, die wir in Bayern aufbauen, ist nur der Anfang. Wir werden uns an der Gigafactory-Initiative der EU bewerben. Diese plant den Aufbau einer leistungsstarken KI-Infrastruktur mit mindestens 100.000 GPUs pro Land und Gigafactory. Mit einer Kapazität von 10.000 GPUs erreicht unser Standort bereits rund ein Zehntel der Dimensionen einer europäischen AI Gigafactory.

Unsere Vision ist es, die Industrial AI Cloud zum Leuchtturm für digitale Souveränität und zum Produktivitätsmotor für Deutschland und Europa zu machen. Was mich dabei besonders zuversichtlich stimmt: Die KI-Fabrik ist eine rein privatwirtschaftliche Initiative. Das zeigt, dass die Unternehmen Verantwortung übernehmen und in den KI-Standort Deutschland investieren.

Welche Rolle übernimmt die Telekom im KI-Zeitalter?

KI braucht vor allem drei Dinge: Rechenleistung, sichere Netze und Vertrauen. Genau das ist unser Kern. Wir begleiten 2,5 Millionen Geschäftskunden durch die Digitalisierung. Diese Breite und Tiefe gibt es so nur einmal in Deutschland.

Wir bauen die souveräne Infrastruktur, auf der Unternehmen ihre digitale Zukunft gestalten können. Und ich bin sicher: Ohne Souveränität wird KI ihr Potenzial nicht entfalten. Deutschland ist bereit. Und wir sind bereit, die Infrastruktur dafür zu liefern.

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